Samstag, 19. November 2011

Von Sucre nach La Paz

 Nach 3 Tagen in Sucre war unsere Weiterreise für Montagabend, den 14.11. geplant. Am Busterminal haben wir uns für die bevorstehenden 12 Stunden Fahrt den Nachtbus von „El Dorado“ ausgewählt. Für 1,50 Euro mehr pro Person wurden die Tickets für den „Cama- Bereich“,- den komfortableren Schlafbereich im Bus ausgestellt.

Unser schönes Zimmer im Hostel war geräumt, die Rucksäcke standen im Aufbewahrungsraum zur Abreise bereit als die erste Abreisende des Tages am Mittag frustriert vom Busterminal zurück ins Hostel kam. „Wegen Straßenblockaden wird Santa Cruz, ihr Reiseziel nicht angefahren“. Zwei andere Mädels kamen kurz darauf mit der Nachricht: „wegen Busfahrerstreiks fahren heute gar keine Busse ab“ und checkten wieder ins Hostel ein. Wir entschlossen uns bei „El Dorado“ anzurufen: gute Entscheidung. Wir erfuhren, dass auch unser Bus ausfällt. Was genau der Grund war konnten wir trotz mehrfachen Nachfragens nicht herausfinden. Für Dientag seien auch keine Fahrten geplant. Vielleicht am Mittwoch wieder.

Glück gehabt. Im Hostel war auch für uns noch ein Zimmer frei- und der Umtausch der Tickets hatte den Vorteil, dass wir für Mittwoch Plätze 1 und 2 reservieren konnten. Ganz vorne- gute Sicht und viel Beinfreiheit.

Dank der gewonnenen Zeit konnten wir uns noch ein bisschen genauer in Sucre umsehen. Der Mirador bietet einen schönen Blick über die Stadt. Im Restaurant Tentraciones haben wir uns über sehr gute Pasta mit Parmaschinken gefreut.

Auch unser Besuch auf dem viel empfohlenen Friedhof hat sich gelohnt. Hier werden die Menschen nicht unter der Erde begraben sondern in Mauern „gestellt“. Nach der Verbrennung wird die Urne in einer kleinen Kammer in der Wand platziert und eingemauert. Hinter einer Glasscheibe, mit frischen Blumen, Fotos und persönlichen Gegenständen dekoriert erinnern die Ruhestätten eher an kleine Tresore als an Gräber.


Anekdötchen: Wie fremd Deutschland für Bolivianer sein muss wurde uns in den letzten Tagen in verschiedenen Gesprächen mit Taxifahrern und Busbekanntschaften bewusst: Was man in Deutschland für eine Sprache spricht, wie das Wetter ist und wie viel man bei uns für ein Essen im Restaurant bezahlt- ob alle Menschen so jung aussehen wie wir, es Tiere in unserem Land gibt und warum wir in unserm Alter noch keine Kinder haben. Die ein oder andere Frage hat uns überrascht. Überrascht sind wir auch wenn Mütter ihre Kinder mitten auf die Friedhofswiese kacken lassen, kleine Jungs wie selbstverständlich vor den Suppenstand am Straßenrand pinkeln und Leute uns ansprechen weil sie sich gerne mit uns fotografieren lassen würden.

Mittwochabend. Die Koffer haben wir ordnungsgemäß eine halbe Stunde vor Abfahrt am Schalter von „El Dorado“ abgegeben und uns an den benachbarten Ständen noch etwas Wegzehrung gekauft. Um kurz vor halb acht stiegen in „unseren Bus“ ein- der Liegekomfort war schlechter als erhofft. Ein irritierter Blick der „El Dorado- Dame“ bevor sie zu uns sagte: ich dachte ihr seid im anderen Bus. Genau wie euer Gepäck. WAS? Sie rannte raus. Wir hinterher.

Die Verantwortlichen brüllten uns nur an- unhöflich. Und wir konnten wenig herausfinden. Ich wollte zu der Frau die anscheinend wusste wo unsere Koffer waren- in dem Moment fuhr unser Bus ab. Ich konnte gerade noch aufspringen. Unsere Sitzplatznachbarin erklärte uns dann, dass wegen der Streiks in den vergangenen Tagen heute 2 Busse Richtung La Paz fahren würden. Der erste Bus sei unplanmäßig 10 Minuten früher abgefahren- in dem sei sicherlich auch unser Gepäck.

Das klang einleuchtend und wir hofften das Beste. 15 Minuten nach Abfahrt stiegen neue Fahrgäste ein. Auch ein älteres Paar, voll beladen mit Tickets für Sitzplatz 1 und 2. Wir zeigten unsere und wollten sitzen bleiben. Schlimmer als wir es bei Sitzplatzfragen in der DB je erlebt haben schrien das ältere, bolivianische Paar und der „Busfahrerassistent“ uns an wir sollten sofort aufstehen.

Wir seien im falschen Bus und hätten deshalb kein Recht zu sitzen. Der Tonfall war mehr als unangemessen. Bevor die dicke Frau sich auf unseren Schoss setzen konnte standen wir auf- um irgendwie eine Lösung für das Problem zu finden. 12 Stunden auf der Treppe sitzen war nun wirklich keine Option.

An den Verstand zu appellieren machte wenig Sinn. Julian in dem Moment die gewünschten Schimpfwörter auf Spanisch beizubringen auch nicht.
„Auf der Bustreppe“ lernten wir einen Bolivianer mit dem gleichen Schicksal kennen. Auch er sollte eigentlich im anderen Bus, der ohne Vorankündigung 10 Minuten vorher abgefahren ist sitzen. Unser Vorschlag den anderen Busfahrer anzurufen und ihn um einen gemeinsamen Stopp zum Umsteigen zu bitten wurde erhört. Uns wurden bis dahin Plätze in der letzten Reihe des Busses zugeteilt. Mehr als unpassend war, dass sich in diesem Moment mein Magen meldete. Glück im Unglück: wir hatten eine Plastiktüte dabei.

Eine Stunde später, an einer Mautstelle konnten wir umsteigen. Platz 1 und 2 waren frei- die Sitze wesentlich komfortabler- nur der Busfahrer schien etwas böse als er die Türen für uns öffnen musste. Egal. Geschafft. Dank „Vomex“ ging es auch meinem Magen schnell besser.

Gegen 2 Uhr nachts wurden wir wach. Der Bus stand. Als wir um kurz nach 4 Uhr noch mal wach wurden und immer noch standen bemerkten wir, dass viele Leute ausgestiegen waren. Wir schauten aus dem Fenster. Um uns herum nichts als Busse. Stau. Komisch war nur, dass einige Fahrgäste sich ihr Gepäck geben ließen und in eine Richtung los wanderten. Wir erkundigten uns: die Straßenblockaden der vergangenen Tage wurden auch heute wieder aufgenommen. Die Busfahrer wollten bis zur Morgendämmerung abwarten um sich zu wehren. Für die ungeduldigen Fahrgäste gab es die Möglichkeit auf gut Glück ins nächste Örtchen zu laufen. Wir legten uns noch mal schlafen bis die Sonne aufging.


Aus der Ferne konnten wir beobachten, dass 2 Gruppen sich gegenseitig mit Steinen bewarfen. Als Dynamit als Wurfgeschoss ins Spiel kam beunruhigte uns das ein wenig. Es schien sich aber etwas zu bewegen. Gegen halb 7 setze sich unser Bus in Bewegung. Mit waghalsigen Überholaktionen waren wir schnell in der Nähe der Blockade. Aufgetürmter Sand, brennende Fässer und Steine auf der Straße. Links, die Gruppe von Bus- und LKW Fahrern die sich mit Steinwürfen gegen die Demonstranten auf der anderen Seite zur Wehr setzten. Polizei war weit und breit nicht zu sehen. Die Steine knallten gegen unseren Bus als wir über den Sandberg rollten. Platz 1 und 2 waren uns in diesem Moment zu „gläsern“.


Mit 6 Stunden Verzögerung sind wir Mittags in La Paz angekommen. Die Hauptstadt Boliviens mit 1,5 Millionen Einwohnern sieht aus wie ein großer Kessel- gefüllt mit Häusern. Der Blick bei der Einfahrt in die Stadt war verrückt. Das Zentrum der lauten, quirligen und ungeordneten Stadt liegt „im Tal“. Hier haben wir auch, direkt an der Hauptstraße liegend in ein Hostal eingecheckt. Permanentes Hupen, verrückter Verkehr, herumrennende Leute, Marktstandschreier und musikalische Dauerbeschallung- und das auf 3600 Metern Höhe. Die Temperaturen liegen im Moment bei ca. 17 Grad. La Paz ist eigenartig interessant.




Das Angebot auf den Märkten ist teilweise etwas gewöhnungsbedürftig.






12 Kommentare:

Edith hat gesagt…

Oh Sarah das liest sich schlimm für mich. Geht es euch gut? Besser du kommst nach Hause! Wie geht es jetzt weiter? Können wir uns mal sprechen! Ich Drücke dich! Mama

Edith hat gesagt…

Sarah, das liest sich ja schlimm! Lieber ist mir du kommst jetzt nach Hause! Wie geht es jetzt weiter bei euch? Lass uns mal sprechen. Geht es euch gut?

Matthes hat gesagt…

Da hat Deine Mutter wohl vor lauter Angst beim Lesen Deines Bloggs 2x auf Veröffentlichen gedrückt. ;-)) ein Tipp für die Nächte Diskussion im Bus. Julian soll einfach - wie Hape Kerkeling zu seiner besten Zeit - spanisch klingende Sätze laut, dominant und hektisch gestikulierend in den Bus brüllen. Der gemeine Bolivianer hält die Brüllerei für einen Dialekt aus der hintersten Ecke des Hochlands und bietet euch den besten Liegeplatz im Bus an. Die bolivianische Mama teilt ihre Alpaca-Milch-Ration mit Euch und die mittelamerikanische Welt ist wieder in Ordnung... Passt auf Euch auf und viel Glück bei der Weiterfahrt. Lasst uns versuchen übers Wochenende zu skypen. DD (Dinge Däääd)

Simon hat gesagt…

Ihr wahnsinnigen! :) Dynamitschmeißende Bolivianer finde ich reichlich unsympathisch..Aber ich gebe zu, das war der mit Abstand spannendste Reisebericht in diesem Blog - bisher. Für Ediths Nerven ist es wahrscheinlich besser wenn er bis zu Eurer Heimkehr auch an Position 1 bleibt.

Vielleicht könnt Ihr ja noch punkten wenn Ihr sagt, dass Ihr aus dem Land von Verona Pooth (Feldbusch) kommt...die ist doch Boliviens berühmteste Deutsche - oder umgekehrt ;)

Allerliebste GRüße aus Köln..und vielleicht klappt das ja mit dem SKYPEN mal...sonst fahr ich mal bei den Grimms vorbei.

Simon

Matthes hat gesagt…

@ Simon
immer gern gesehen! :-))

Dann kannst Du ja direkt Deine Eltern mitbringen, da steht nämlich auch noch ein Treffen aus.

Wenn wir es schon nicht auf direktem Weg von Longerich nach Esch schaffen, dann vielleicht über Bolivien.

LG Matthias

Mona hat gesagt…

Oh je Sarah, was macht Ihr für Sachen? Wann schaffen wir es denn endlich nochmal uns zu verabreden?? Ich schreib Dir gleich noch ne Mail!

@Papa und Simon: Da bin ich auch dabei... Lasst uns einen Telefontermin vereinbaren. :-)

Edith hat gesagt…

ich bin auch dabei. Ich besorge das Kölsch.
Also ihr zwei Weltenbummler, wann sprechen wir uns in großer Runde?

Küsse aus Köln

Simon hat gesagt…

Sonntag Abend? :)

Edith hat gesagt…

Bei uns geht es Sonntag leider nicht, müssen wir verschieben
Liebe Gruße

Edith hat gesagt…

Bei uns geht es Sonntag leider nicht, müssen wir verschieben
Liebe Gruße

Theresa hat gesagt…

Ihr beiden....ich bin wieder dabei ( dank des heute eingerichteten Internets in unserer Bude) und kann an meinem freien Nachmittag alles verpasste aufholen :-)

Witzige Bilder sind das...und immer wieder schön zu lesen....

Passt auf euch auf.
Theresa

Barbara hat gesagt…

Ihr zwei süßen, wegen euch racker ich mich hier mit nem iphone ab :-) diese friedhöfe kenn ich noch aus kolumbien, verrückt sowas. Wenn ich sowas lese bin froh, dass willys schleifender keilriemen und meine weihnachtsplanung grad die größten probleme sind :-) passt auf euch auf ihr zwei und ein dickes no worries mit umarmung und kuss aus nz